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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Die Vernichtung jüdischen Lebens - 1933 bis 1945

"Ausmietungen" und "Zwangseinweisungen" –
Leben in den Judenhäusern

Das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 bildete die Grundlage für die Isolierung der Juden von der nichtjüdischen Bevölkerung und für ihre Unterbringung in "Judenhäusern". Dabei sollten die jüdischen Bewohner "gegebenenfalls zwangsweise" in relativ wenigen, möglichst in jüdischem Besitz befindlichen Häusern "zusammengefasst" werden.

Die Einrichtung der "Judenhäuser" betrieb die Stadt Hameln. Frau Katz, die Eigentümerin des Hauses Pferdemarkt 8, musste am 24. Oktober 1939 auf dem Rathaus bei Vermessungsrat Reiche erscheinen und über die Mietverhältnisse in ihrem Haus Auskunft geben. Im Falle des Frankensteinschen Hauses Neue Marktstraße 13 machte Reiche zur selben Zeit eine Besichtigung.

"Judenhaus"
Das "Judenhaus" Neue Marktstraße 13

Beide Häuser wurden von Reiche für den gewünschten Zweck als geeignet befunden. Sie waren nun die beiden "Judenhäuser" der Stadt. Es folgten "Wohnungsumsetzungen" mit dem Ziel, möglichst viele Juden in diesen Häusern zu konzentrieren. Um "arische Häuser" "judenfrei" zu machen, wurden Vermieter und Mieter zur Auflösung des Mietverhältnisses gedrängt. Die Eigentümerinnen der beiden "Judenhäuser" forderte Reiche ultimativ auf, mit den "umzusetzenden" Juden Mietverträge abzuschließen. Jeder Mietvertrag, an dem ein Jude beteiligt war, musste von Vermessungsrat Reiche genehmigt werden.

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Häufig waren es "deutsche Volksgenossen", die "Wohnungsumsetzungen" in Gang brachten. Bewohner des Hauses Emmernstraße 28 wendeten sich am 6. Oktober 1939 mit der folgenden Aufforderung an die Stadt Hameln:

"Die Unterzeichneten bitten den Oberbürgermeister davon Kenntnis zu nehmen, dass sie nicht gewillt sind, mit der jüdischen Familie Hammerschlag in dem im Hause befindlichen Luftschutzkeller zusammenzusitzen. Es ist uns unmöglich, als deutsche Volksgenossen (z. T. sogar Parteigenossen) in Gesellschaft dieser Rasse zu verweilen.

Außerdem sind wir Männer am Tage sowohl wie auch zum Teil des Nachts nicht anwesend, weil wir anderweitig dienstlich zu tun haben. Unsere Frauen und Kinder wären dann in den meisten Fällen mit der genannten Familie zusammen im Luftschutzkeller, was wir nicht gutheißen können."

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Acht Tage später forderte Reiche die Besitzerin des Hauses Neue Marktstraße 13 auf, mit der Familie Hammerschlag "einen diesbezüglichen Mietvertrag sofort abzuschließen."

Die ersten "Wohnungsumsetzungen" begannen in Hameln bereits im Oktober 1939. Im Sommer 1940 war die "Belegung" der "Judenhäuser" im wesentlichen abgeschlossen. In Hannover kam das Gesetz erst im September 1941 zur Anwendung. Die Hamelner Stadtverwaltung in der Person des Vermessungsrates Reiche legte bei der Umsetzung des "Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden" einen ganz besonderen Eifer an den Tag.

 

Anfang 1941 lebten im "Judenhaus" Neue Marktstraße 13 siebzehn jüdische Frauen, Männer und ein Kind, im Haus Pferdemarkt 8 waren es fünf Frauen, alle unter sehr beengten Verhältnissen. Die Mehrzahl der Bewohner war alt: Von den insgesamt zweiundzwanzig Menschen waren sechzehn älter als 60 Jahre. Nur vier Männer waren darunter. Viele der Menschen  waren alleinstehend, häufig verwitwet.

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Nur ein Lebenszeichen hat sich aus einem der Judenhäuser erhalten. Es stammt von Selma Frankenstein, der die Ausreise nicht mehr gelingen sollte. Am 13. Dezember 1941 schrieb sie auf einem sogenannten Rote-Kreuz-Brief an ihren nach Palästina ausgewanderten Neffen:

Die Menschen litten unter einer Vielzahl behördlicher Anordnungen, die ihr Alltagsleben immer enger einschnürten. Telefon, Führerschein, Fahrräder, sogar das Haustier hatten sie abgeben müssen. Die Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt. Jeder auswärtige Besuch musste vorher bei der Stadtverwaltung beantragt werden. Im Sommer 1941 wurde die Einkaufszeit auf eine Stunde am Tag beschränkt.

 
Auf dieses Schreiben der NSDAP vom 5.8.1941 reagierte der Oberbürgermeister sofort. Wovon die Menschen ihren Lebensunterhalt bestritten haben, ist unklar. Öffentliche Fürsorge gab es für sie nicht mehr. Die Menschen lebten in bitterer Armut, von der Substanz, von gegenseitiger Hilfe, auch von heimlich gewährter Unterstützung.

Ab 1. September 1941 galt die Polizeiverordnung über die "Kennzeichnung der Juden". Alle über sechs Jahre alten Juden mussten sichtbar an ihrer Kleidung den "Judenstern" tragen. Scham und Angst ließen sie nun kaum noch die Straße betreten.

 

Artikel aus der DeWeZet vom 22. August 2009:

Nach dem Krieg wieder in Amt und Würden
Vom Leben in den Hamelner „Judenhäusern“ / Stadtverwaltung wälzte alle Verantwortung ab

(PDF-Datei - 2 MB)

  

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© Bernhard Gelderblom Hameln