Dr. Ernst Hammerschlag hatte sich in der Zeit der Verfolgung in Belgien und Frankreich verbergen können und auf diese Weise überlebt. Auszüge aus einem Brief aus dem Jahre 1963:
Ich habe mich in dieser schlimmen Zeit in Belgien und 
		später in Frankreich verbergen können und wie durch Wunder mit 
		Gotteshilfe überleben können. Erst 1949 konnte ich nach Deutschland 
		zurückkommen und habe niemand meiner Angehörigen und nichts von unserer 
		Habe mehr angetroffen. Sogar das Grab meines 1935 gestorbenen Vaters war 
		auf unserem kleinen Friedhof nicht mehr auszumachen. Der Friedhof ist ja 
		zerstört worden. 
		Man spricht ja heute nicht mehr gerne von diesen 
		Dingen, weil man immer wieder in traurige Stimmung verfällt, und das tut 
		mir gesundheitlich nicht gut. Meine kranke Frau und ich sind die 
		einzigen Überlebenden einer einst großen Familie. Wäre ich jünger und 
		bei Kräften, würde ich noch auswandern und in einem anderen Lande 
		Vergessen suchen. 
Während die Opfer das Vergessen suchen, weil sie mit der Erinnerung nicht leben können, gibt es bei den Tätern und den Zuschauern, in der Bevölkerung und bei den Behörden kein Bewusstsein von Schuld. Erst auf Anordnung der britischen Besatzungsmacht und auf Drängen der jüdischen Gemeinde in Hannover erklärt sich die Stadt Hameln 1946 bereit, den verwüsteten Friedhof wieder instand zu setzen.
Es gibt in Hameln keinen Prozess um die Vorgänge des 9. November 1938. Zwei städtische Beamte waren in Hameln als treibende Kräfte bei der Umsetzung der antijüdischen Maßnahmen besonders hervorgetreten, der Stadtrat Dr. Hans Krüger sowie der Vermessungsrat Gerhard Reiche. Beide hatten sich nach Kriegsende einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen müssen und waren entlassen worden. Im Jahre 1951 sind beide Beamte wieder in ihren angestammten Ämtern bei der Stadt Hameln beschäftigt.
Die Erinnerung an die Verbrechen an den jüdischen Bürgern kommt erst spät in Gang. Im November 1963 wird, angeregt durch den überlebenden Moshe Keyser, auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge, auf dem sich inzwischen ein Spielplatz befindet, ein bescheidener Gedenkstein errichtet.
Die Aufschrift auf dem Gedenkstein lautet:
"Menschen verstummen, Steine reden immer.
		
		Zum Gedenken an den Untergang der
		jüdischen Gemeinde Hameln 1933-1945"

Im 1996 neu gestalteten Mahnmal des
Hannoverschen Künstlers Hans-Jürgen Breuste
hat der Gedenkstein einen Platz gefunden.
 
		Heute, über 60 Jahre nach der Vertreibung und 
		Ermordung der Juden dieser Stadt, leben wieder Juden in Hameln. Es 
		handelt sich zu allermeist um Menschen aus den Ländern der ehemaligen 
		Sowjetunion, die nach 1989 zu uns kommen konnten. Entscheidend war der 
		Schritt zur Gründung der beiden Hamelner jüdischen Gemeinden in den 
		späten 1990er Jahren, denn es war ein Schritt in die Öffentlichkeit, das 
		Signal: Es gibt wieder jüdisches Leben in dieser Stadt.
		
Schauen wir nach vorn, so gibt es jetzt die Chance zum Gespräch, zu einem Gespräch unter Partnern. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Lebensform des gleichberechtigten Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden durch die Katastrophe in Deutschland nicht als gescheitert zu betrachten ist. Die Aufgabe der Juden in dieser Stadt ist es, ihr Judentum selbstbewusst zu leben; die Aufgabe der Nichtjuden ist es, für den Geist und die Praxis der Toleranz zu sorgen.
© Bernhard Gelderblom Hameln